Alfred Mantheys Predigt 2016
Liebe St. Georgius Schützenfamilie, liebe Schwestern und Brüder im Glauben!
Wir sind schon richtige „Feierbiester“ – das sagt im Interview ein Fußballspieler vom bayrischen Rekordmeister, nachdem der Verein zum wiederholten Mal die Meisterschaft gewonnen hatte. Das könnten, glaube ich, ebenso viele Menschen bei uns von sich sagen. Wenn ich mich umhöre, dann vergeht kaum eine Woche, in der nicht zu irgendeinem kleinen oder großen Fest eingeladen wird – von der Grillparty im heimischen Garten über das Geburtstagsfest auf der River-Lounge bis zur rauschenden Ballnacht in einem Tanzcenter, von lokalen Festtagen bis zu den Events in großen Arenen oder Festspielhäusern. Wir sind schon richtige „Feierbiester“!
Trifft das auch auf unser Schützenfest zu? Ja und Nein! Was die Zahl der Feiertage angeht: ein klares ‚Nein‘. Einmal im Jahr Schützenfest zu feiern, das ist nicht zu viel. Das ist nicht mehr als einmal Weihnachten!
Zugegeben: In unserer großen Stadt gibt es, glaube ich, 16 Schützenvereine. Sie feiern natürlich alle einmal im Jahr – von April bis Ende September. Und es soll sogar den einen oder anderen aus unserem Verein geben, der noch in einer Zweitliga mitmarschiert. Doch für die allermeisten von uns gilt wie beim Karneval: Einmal im Jahr ist Schützenfest. Jetzt ist es wieder so weit.
Gestern Abend habe ich in unserem Kompanielager im Schützenhausgarten richtig Gänsehaut bekommen: Über 40 aktive Offiziere waren dort versammelt zur letzten Vorbesprechung und natürlich auch zum Auflockerungstraining für die kommenden Tage. Über 40 Offiziere aus allen Altersstufen, von 18 bis nahe an die 80! Unglaublich! Und alle gut drauf. Wo gibt es das noch. Das ist ein Gütesiegel unseres traditionsreichen Vereins. Und alle Offiziere sind wild entschlossen, uns das Erlebnis wunderschöner Tage zu schenken, egal wie sich der Himmel über uns zeigt, ob blau oder grau. Schauen Sie einmal hier zum Altar: Das sind die Glanzlichter unseres Vereins. Deswegen stehen sie hier auch ganz oben, ganz nahe am Altar. Selbst der hochwohlgeborene Thron mit dem Königspaar in all seiner Strahlkraft erweist ihnen die Ehre. Manchmal denke ist still, was für unseren Papst Franziskus die Schweizergarde, das sind die Georgius Offiziere für unseren Verein!
Wir sind schon richtige „Feierbiester“! Das ist im Grunde erstaunlich. Eigentlich haben wir doch wenig Anlass zum Feiern. Erst gestern habe ich in unserer Bocholter Zeitung gelesen, was der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes, der frühere Bundesminister Dr. Rudolf Seiters bei einer Ansprache im Münsteraner Dom gesagt hat: „Noch nie habe es eine so schnelle Abfolge von Naturkatastrophen und Bürgerkriegen gegeben wie in den letzten 15 Jahren. 65 Millionen Menschen seien auf der Flucht. Immer mehr Menschen müssten aufgrund von Krieg, Verfolgung und Katastrophen ihre Heimat verlassen. Flucht und Vertreibung hätten eine globale Dimension erreicht.“ Hinzu kommt die große Angst vor Terroranschlägen hier bei uns. Und noch einmal zusätzlich kommen unsere ganz persönlichen Lebenskatastrophen: ernsthafte Erkrankungen und Pflegefälle von vertrauten Freunden und Vereinsmitgliedern. Überraschende Todesfälle. Zerbrochene Partnerschaften und Freundschaften, manche versteckte wirtschaftliche und soziale Not – mitten unter uns. Zum Feiern ist mir diesmal nicht zumute, sagen dann manche.
In dem einen oder anderen Fall kann man das sicher gut verstehen. „Alles hat seine Zeit“, sagt die Bibel. „Es gibt eine Zeit zum Lachen und eine Zeit zum Weinen.“ Aber aufs Ganze gesehen, meine ich, dürfen wir uns trotz aller Katastrophen die Lebenslust nicht nehmen lassen. Gerade weil die Welt so ist, wie sie ist, gerade weil das Leben so ist, wie es ist, müssen wir das Leben feiern. Wie sollten denn sonst die Ressourcen in uns wachsen, durch die wir die Kraft bekommen, unsere Welt zum Besseren zu wenden?
Und das tun wir in unserem Glauben doch auch. Wir feiern das Leben – immer wieder, weil Gott es uns schenkt, Tag für Tag und Nacht für Nacht. Weil Gott wünscht, dass wir leben und nicht schon mitten im Leben dem Tod anhängen. Wir feiern im Glauben sogar den Tod – ohne Angst – weil er für uns das Tor zum Leben ist.
Liebe St. Georgius Schützenfamilie. Wir sind Georgs-Schützen! Das Leben ist ein ständiger Kampf gegen die Dämonen der Angst, der Verbitterung, der Enttäuschung und Frustration. Gemeinsam mit unserem Patron werden wir den Kampf bestehen und schließlich alles zum Guten wenden.
Wer die historischen Bilder unseres Vereinslebens anschaut, besonders die Bilder der Nachkriegszeit, als Bocholt in Trümmern lag und auch die Herzen und Seelen zertrümmert waren, da hat man gefeiert und aus der vermutlich bescheidenen Freude des Festes heraus die Ärmel hochgekrempelt und aufgebaut. Das sollten wir nicht vergessen, wenn sich wieder einmal Lethargie, Lustlosigkeit und Perspektivlosigkeit breit macht. Ein, wie ich finde, besonders schönes Beispiel für Ermutigung ist die jährliche Vorbereitungszeit auf unser Schützenfest. Ich denke da vor allem an die Reinigung des Schützenhausgartens und an den Aufbau des Kompanielagers. Dieser „Garten“, man muss das Wort in Anführungszeichen setzen, dieser „Garten“ vor dem Dornröschenschloss unseres Schützenhauses wird Jahr für Jahr immer wieder zum „Dschungel-Camp“ und muss jedes Jahr regelrecht neu erobert werden. Da ist auch jetzt wieder passiert – und es wird auch weiter passieren. Denn wir gehen dort nicht weg. Das ist unser Platz. Den halten wir besetzt, bis einmal in tausend Jahren das Schützenhaus plötzlich wieder aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Das nennt man Stallwache mit hohem Engagement! Wir halten durch, liebe Bocholter Bürgerinnen und Bürger, denn wir möchten, das unser schönes Schützenhaus mitsamt dem herrlichen Garten eines Tages wieder allen in unserer Stadt zum Feiern zur Verfügung stehen kann, damit wir Kraft bekommen für den Alltag, für die vielen Aufgaben, das Menschliche unter uns zu stärken und die Not in unserer kranken Welt zu lindern.
Machen Sie also mit! Lasst uns wahre „Feierbiester“ sein – im Leben und im Tod!
Amen.
Alfred Manthey